Die Sache mit der Bildkritik

 

Jeder der fotografiert, möchte seine Bilder zeigen und natürlich dafür auch Anerkennung erhalten. Waren es früher Fotoalben, Diaabende oder der Fotoclub, so sucht man heute die Rückmeldung in Fotocommunities oder sozialen Netzwerken.

 

Oft werden Bilder ins Netz gestellt mit der Bitte um konstruktive Kritik. Leider hat die Bilderflut dazu geführt, dass Bilder immer mehr nur noch mit „Gefällt mir“, „Sieht gut“, „Top Bild“, „Wow“, usw... kommentiert werden. Eine Bildkritik in dem Sinne findet gar nicht mehr statt, vermutlich mit aus dem Grund, dass eigentlich niemand so genau weiß, was oder wie er eigentlich kritisieren soll.

 

 

Ich greife hier mal Gedanken aus der Didaktik auf und versuche mögliche Wege zu beschreiben.

Vorab kann man festhalten, dass es eigentlich 3 verschiedene Arten von Bildern gibt:

  • informierende/dokumentarische Bild

  • aufmerksamkeitsgewinnende oder emotionale Bild

  • das künstlerische Bild

Nicht immer kann man diese 3 Arten sauber voneinander trennen.

 

Eine Bildbetrachtung im didaktischen Sinne würde in folgenden Schritten ablaufen:

 

Bild => erster Eindruck => formale Analyse => inhaltliche Analyse => erste Interpretation => Analyse im Kontext => Ergebnis.

 

Für die Kritik von Fotos in sozialen Netzwerken ist das natürlich Quatsch, es wäre zu aufwändig und auch zu verkopft. Dennoch kann man Ansätze aufgreifen um daraus einen roten Faden zu gestalten. Anhand meiner eigenen Vorgehensweise möchte ich das mal darlegen.

 

Nehmen wir an ich entdecke ein Bild beim surfen im Internet, bei dem mein Auge hängen bleibt. Die erste Frage die ich mir stelle ist immer, was sehe ich da eigentlich. Ich versuche das ganze Bild ab zu scannen und folgende Fragestellungen für mich zu beantworten:

  • erkenne ich ein klares Motiv – ohne dass ich die Bildbeschreibung durchlesen muss?

  • bleibt mein Augen am Motiv hängen oder wird es von irgendetwas im Bild abgelenkt?

  • ist es eine doku./emo./künstlerisches Bild?

Wenn das für mich geklärt ist, dann habe ich eine Basis auf der ich das Bild betrachten kann. An ein Doku-Bild gehe ich ganz anders heran als an ein künstlerisches Bild. Weiterführende Fragen können dann sein:

  • wie ist die Stimmung des Bildes – passt das für mich auch zum Motiv?

  • gibt es einen klaren Bildaufbau – gibt es Alternativen?

  • kann ich mit Fotoregeln, wie Goldener Schnitt o.ä. an das Bild herangehen oder ist hier bewusst anders fotografiert worden?

  • sind störende Elemente wirklich so massiv störend und können sie im Bild verbleiben.

  • wie ist das Bild wohl entstanden? Zufällig, geplant, kontrolliert? Habe ich Erfahrungen die vielleicht eine Verbesserung bringen würden?

  • Fehlen mir Infos, muss ich die Bildbeschreibung lesen oder sogar nachfragen?

Erst im letzten Schritt gehen meine Gedanken in Richtung Technik.

  • gibt es fototechnische Verbesserungen – Brennweite, Verschlusszeit, Blende?

  • ist das Bild passend entwickelt oder lebt es sogar nur von starker EBV?

  • gibt es zwingende Fehler die man ansprechen sollte?

Bis dahin sind wir nur bei der Analyse – nunmehr kommt die Königsdisziplin – die angemessene Rückmeldung.

 

Warum ist das eigentlich so schwierig? Derjenige der das Bild gezeigt hat, möchte doch eine Kritik zum Bild haben oder? Lasst uns doch mal ehrlich sein, mit Kritik kann eigentlich keiner richtig gut umgehen. Das Lob ist einem immer näher als ein Urteil, dass nicht zu der eigenen Sicht passt. Jedes Bild das man zeigt, hat man selber ausgewählt, weil man davon überzeugt ist – und oft sucht man nur die eigene Bestätigung. Mit ein Problem ist, dass heute durch die Rückmeldung im Internet sehr viele wichtige Informationen im Dialog verloren gehen. Eine schriftliche Rückmeldung enthält keine Tonlage, kein Augenzwickern, keine Gestik oder sonstige Körpersprache. Sie kommt direkt an und muss interpretiert werden. (Hier sei mal an das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun verwiesen.)

 

Will ich also eine Rückmeldung geben, muss ich tatsächlich versuchen sehr klar zu formulieren was ich meine. Eine Aussage wie z.B.: „Der Ast stört.“ ist vielleicht treffend, lässt aber viel Interpretationsspielraum warum. „Der Ast stört, da er unten die Spiegelung in 2 Hälften schneidet“ wäre wieder eine klare Aussage, an die man gleich konstruktive Kritik anschliessen kann. „Ein Schritt nach rechts oder ein Perspektivwechsel hätte hier vielleicht dieses störende Element entfernt.“

 

Vergessen sollte man dabei aber auch nicht, zu benennen ob und was einem gefällt. Auch hier freut sich der Bildeinsteller über klare Aussagen. Schade ist immer: „Tolles Motiv – aber....“

 

Wer nach pädagogischen Maßstäben rückmelden möchte versucht das ABA Muster einzuhalten. Eine Kritik wird immer flankiert von zwei positiven Aussagen, um Motivation und persönlichen Bezug zu erhalten. Hier wird es dann aber wieder sehr verkopft.

 

Zum Abschluss möchte ich noch folgendes ergänzen:

 

Niemals sollte man vergessen auf welchem persönlichen Niveau man kritisiert. Dies gilt für einen selbst, als auch den Empfänger meiner Kritik. An einen Anfänger geht man ganz anders heran, als an den 5-fachen Gewinner des Europäischen Naturfotografen des Jahres. Auch sollte man den Mut haben, vermehrt Bilder ohne den Gedanken an Technik zu analysieren, da einen dies in der eigenen Entwicklung weiterbringt.

 

Und ganz zum Schluß ;-):

 

  • Kritik von jemanden anzunehmen, dem man nicht positiv gegenüber steht ist sauschwer

  • irgendwann sollte man den Mut aufbringen, die digitale Welt zu verlassen und sich mit Menschen umgeben um im kleinen Kreis Bilder zu besprechen

  • manchmal darf man auch einfach nur schreiben „Wow - tolles Bild“ - besonders wenn es einen sprachlos macht, wobei man könnte dann ja schreiben „Wow, tolles Bild – ich bin sprachlos“ ;-)