en detail


Wer mit mir bereits fotografisch unterwegs war, konnte häufig folgendes beobachten:

Bei der Ankunft an einem möglichen Motiv wird schnell das Equipment ausgepackt, das Stativ aufgebaut, die Kamera aufgesetzt und losgelegt. Nach wenigen Minuten drehen sich meine Begleiter dann um und fragen: "Knipst du nicht?..."

 

Bei mir läuft das meist anders ab. Ich muss zunächst einmal ankommen. In der Regel lege ich meinen Fotorucksack ab, laufe einige Meter hin und her und versuche die Szene zu erfassen. Oft fallen mir dabei, neben den offensichtlichen Motiven, andere für mich viel spannendere Dinge ins Auge, um die es in diesem Workbook Eintrag geht.

Beispiel 1:

Kanji

Canon 5DII - EF 100-400mm @  ISO800 f11 2,5sec 285mm
Canon 5DII - EF 100-400mm @ ISO800 f11 2,5sec 285mm

Frühmorgens, noch vor Sonnenaufgang sitze ich im Weingartner Moor und hoffe auf einfliegende Silberreiher, die ich mit langen Belichtungszeiten fotografieren möchte. Die Kamera mit dem Superteleobjektiv ist aufgebaut und ich warte geduldig. Immer wieder schweift mein Blick über die vor mir liegende Wasserfläche und mein Auge bleibt an diesen Ästen hängen. Langsam baut sich eine Idee im Kopf auf und ich nehme das zweite Tele aus der Tasche und versuche in diesem Motiv die absolute Ruhe, die an diesem Morgen vor Ort herrscht einzufangen. Eine etwas längere Belichtungszeit und ein kühler Weißabgleich helfen mir dabei und nach zwei Probeaufnahmen ist das Bild im Kasten.

Der Titel des Bildes ist die Bezeichnung für japanische Schriftzeichen, woran mich diese Astformation im Wasser erinnert.

Beispiel 2:

Aquarell

Canon 5DII - Tamron 180mm @ ISO100 f16 1/4sec
Canon 5DII - Tamron 180mm @ ISO100 f16 1/4sec

Der erste Besuchstag bei den Schwiegereltern in Portugal beginnt eigentlich immer mit einer zweistündigen Spaziergehrunde, um vor Ort anzukommen. Auf halber Strecke kommen wir an einer Quelle vorbei, auf deren Wasseroberfläche Eisenbakterien zu finden sind. Mehrfach habe ich mir das angeschaut und versucht eine Bildidee zu entwicklen. Die Farben und Formen, die dort entstehen haben mich fasziniert und so habe ich bei einem weiteren Spaziergang das Stativ mitgenommen und am Brunnen dann dieses Motiv entdeckt und festgehalten.

Beispiel 3:

"X"

Canon 5DII - Tamron 180mm @ ISO100 f16 1/4sec
Canon 5DII - Tamron 180mm @ ISO100 f16 1/4sec

Dieses Bild stammt aus einer Serie an der ich immer wieder einmal arbeite. Aufgenommen wurde es ebenfalls in Portugal. An diesem Spätnachmittag war ich an einer kleinen Felsenküste auf der Suche nach einer schönen Stelle für den Sonnenuntergang und bin einfach einigen anderen Fotografen gefolgt. Diese begannen recht früh, ihre Stative aufzubauen und sich auf den Sonnenuntergang einzustellen. Mein Stativ stand auch schon, die Kamera zeigte aber in die andere Richtung, weg vom Meer hin zum Festland. Die Blicke im Rücken konnte ich richtig spüren, als ich mich mit diesem Motiv beschäftigt habe. Nach geraumer Zeit kam dann ein bekannter Fotograf aus England zu mir, warf einen Blick aufs Display und meinte nur "Good job!" - Daumen hoch.

Beispiel 4:

Herbstbach

Canon 5D II - TS-E 24mm @ ISO200 f16 20sec
Canon 5D II - TS-E 24mm @ ISO200 f16 20sec

Das Monbachtal zieht mich immer wieder magisch an. Nicht nur die wildromatische Schlucht mit ihren vielen Wasserstufen, sondern auch die vielen schönen Details, die man dort am Boden, an den Bäumen oder Felshängen entdecken kann, lassen mich immer wieder dorthin zurückkehren. Diese Aufnahme entstand wie man gut sehen kann im Herbst und wurde oberhalb der bekanntesten Wasserstufe aufgenommen. Die Blätter (ich vermute fast ein anderer Fotograf vor mir hat die so hingelegt) bilden einen schönen Kontrast zur Linienführung des Wassers und während unten viele andere Fotografen Bilder von dem kleinen Wasserfall machten, war ich ein Stück weiter oben glücklich mit meinem kleinen Ausschnitt aus dem Monbachtal.

Beispiel 5:

Herbstblatt

Canon 1Dx - EF 100mm 2.8 L @ ISO400 f16 1,0sec
Canon 1Dx - EF 100mm 2.8 L @ ISO400 f16 1,0sec

Ebenfalls im Monbachtal habe ich dieses schön gezeichnete Blatt aufgenommen. Ich hatte meinen Fotorucksack an diesem Baumstamm abgelegt und war eigentlich auf der Suche nach einem Motiv in Wassernähe. Da ich mir aber angewöhnt habe, nicht nur das was einem sofort ins Auge springt alleine auf mich wirken zu lassen, sondern mich immer an jedem Motiv um 360° umschaue, fiel mir beim Blick zum Fotorucksack dieses Blatt auf. Ich mag das Zusammenspiel der Farben mit dem feuchten Baumstamm. Ebenso die Strukturen, die darin zu erkennen sind. Es war etwas schwierig, diese Bild im Regen aufzunehmen, da ich immer wieder Wassertropfen vorne auf dem Polfilter hatte, gelohnt hat es sich aber aus meiner Sicht auf jeden Fall.

Beispiel 6:

Wasserspiel

Canon 1Dx - EF 70-200 2.8 L @ ISO400 f11 0,5sec
Canon 1Dx - EF 70-200 2.8 L @ ISO400 f11 0,5sec

Ein weiteres Bild aus dem Monbachtal - man sieht ich bin wirklich oft dort. An einer kleinen Stufe beobachtete ich eine Zeit lang Libellen. Irgendwann fiel mein Blick genau auf die Kante, über die das Wasser sprudelte und sich dabei in kleine Strahlen aufteilte. So entstand diese Bildidee - eine rein graphische Aufnahme. Die Farben entstehen sowohl durch das Herbstlaub, das sich spiegelt, als auch durch meinen modifizierten Cokin Blue&Yellow Polfilter. Im Monbachtal Kapitel findet sich dazu Näheres.

Beispiel 7:

"Rot"

Canon 1Dx - EF 100mm 2.8 L @ ISO100 f16 10sec
Canon 1Dx - EF 100mm 2.8 L @ ISO100 f16 10sec

Diese Aufnahmen stammt aus dem  Schweden Trip 2016. Neben der wirklich traumhaften Landschaften, sind mir in Schweden unglaublich viele solcher unscheinbaren, für mich aber faszinierenden Details begegnet. Auch hier hatte sich das Blatt perfekt in Position gelegt und sah aus, als wolle es fotografiert werden. Entdeckt habe ich es, als ich an einem Seeufer stand und mir mögliche Fotomotive für den nächsten Morgen anschaut habe. Auch hier hat sich die 360° Drehung bewährt und der Blick nach unten brachte mir dieses schöne kleine Stilleben, dass ich sehr mag.

Beispiel 8:

Eisblätter

Canon 1Dx - EF 100mm 2.8 L @ ISO100 f22 0,5sec
Canon 1Dx - EF 100mm 2.8 L @ ISO100 f22 0,5sec

Der Blick nach unten im Winter fasziniert mich immer wieder. Frühmorgens, wenn alles so richtig von Rauhreif oder Eis überzogen ist bin ich gerne draussen und suche solche Motive. Mich faszinieren die Strukturen die entstehen, das Farbenspiel und wie das Ganze so unglaublich zerbrechlich wirkt.

Beispiel 9:

Pfälzer-Sandstein-Drache

Canon 1Dx - EF 70-200 4 L @ ISO100 f22 1/4sec
Canon 1Dx - EF 70-200 4 L @ ISO100 f22 1/4sec

Einer der schönsten Plätze in der Pfalz ist für mich der Altschlossfels. Nicht nur mit dem Weitwinkel kann man dort arbeiten, um wunderschöne Landschaftsaufnahmen zu erhalten. Nein - vielmehr sind es die Strukturen des Sandsteines, die mich dort faszinieren und immer wieder dorthin locken. Manch Wanderer oder Fotograf hat mich schon etwas komisch beobachtet, wenn ich dort mit 200mm oder sogar 400mm fotografiert habe, aber nur so kann man diese Strukturen herausarbeiten.

An einem wunderschönen Herbsttag ist dieses Bild enstanden. Das bekannte Felsenglühen, bei dem nur ein Teil des Felsens von der Sonne beleuchtet wird, führte zu diesem Ergebnis. Ich fotografierte in eine Spalte und drehte am PC das Bild um 90° nach rechts - und schon war ein Pfälzer Sandsteindrache zu erkennen... - mit eines meiner Lieblingsbilder.

noch ein paar Gedanken

Der Blick auf die Details, die man bei der Motivsuche schnell übersieht, lohnt sich meiner Meinung nach und ich empfehle  auch immer Fotofreunden oder Workshopteilnehmern sich anzugewöhnen, den Blick schweifen zu lassen. Nicht immer ist es das Motiv das man als Erstes wahrnimmt, welches einen zum Schluss am meisten fasziniert. Oft sind es Kleinigkeiten am Wegesrand oder im direkten Umfeld des Hauptmotivs, die man entdecken und ausarbeiten kann. Man muss dazu etwas Zeit investieren und seine Fotografie entschleunigen. Es lohnt sich aber.

 

Die meisten dieser Aufnahmen entstehen aktuell mit dem 100er Makro, insbesondere bei Aufnahmen aus der Vogelperspektive. Aber auch andere Brennweiten haben ihre Berechtigung. Das 24-70 setze ich ein, wenn ich ein  Motiv plastischer darstellen möchte. Dazu fotografiere ich in einem leichten Winkel und versuche dann mit Hilfe von natürlichem Licht und/oder Reflektoren Schatten zu betonen, um räumliche Tiefe zu erlangen. Das 70-200 nutze ich, wenn ich Details verdichten oder sehr enge Ausschnitte wählen möchte. Teilweise habe ich solche Details auch schon mit 400 oder 800mm fotografiert.

 

Probiert es mal aus - es lohnt sich - Gutes Licht und viel Spaß dabei. Zum Schluss noch ein paar Bilder aus der Reihe "en detail" die die vielfältigen Möglichkeiten zeigen.